Interview Tina Alba

Tina AlbaHallo Ary! Danke, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Stell dich doch bitte kurz einmal vor.

Liebe Kat, erst einmal danke, dass ich „hier“ sein darf und dass Du mir den Fragebogen geschickt hast. Ich bin Ary, Jahrgang 1971, Biologin, Musikerin und nebenbei freiberufliche Autorin. Ich lebe mit meinem Mann in Emden/Ostfriesland, liebe das platte Land und bin halb auf der Nordseeinsel Juist groß geworden, auf die meine Familie während meiner Kindergarten- und Schulzeit immer in die Ferien gefahren ist. Seit 2007 schreibe ich mehr oder weniger ernsthaft – will sagen, seit meinem Debütroman, der 2007 entstand, denke ich beim schreiben immer auch an eine mögliche Veröffentlichung. Schreiben ist meine Leidenschaft – manchmal verfluche ich es, vor allem, wenn es gerade nicht so richtig läuft, aber ein Leben ohne meine Romane und meine Figuren könnte ich mir nicht vorstellen.

Du bist schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Tintenzirkel aktiv und warst zwischendrin sogar als Moderatorin tätig. Wie bist du damals auf den Tintenzirkel gestoßen?

Tatsächlich gar nicht. Klingt komisch, ist aber so. Bevor der Tintenzirkel ein Forum wurde, war er eine Yahoo-Mailingliste. Auf diese Liste hat Maja mich eingeladen, nachdem wir uns vor einer halben Ewigkeit auf einer Filkcon kennengelernt und festgestellt hatten, dass wir und hervorragend verstehen, beide gern Musik machen und Lieder schreiben, Fantasy lieben und schreiben. Filk, nur ganz kurz, ist eine Musikrichtung, die Filk, Liedermachermusik und Fantasy bzw. verschiedenste Fandoms vereint. Ich landete also auf der Mailingliste, und als aus der Mailingliste ein Forum wurde, blieb ich dabei. Inzwischen ist der Tintenzirkel für mich wie für sehr viele der dort registrierte Autor*innen ein virtuelles Wohnzimmer, in das ich gerne zurückkomme.

Gibt es ein Ereignis, das du im Tintenzirkel erlebt hast und das dir bis heute im Gedächtnis geblieben ist?

Im Tintenzirkel habe ich meinen allerersten NaNoWriMo geschrieben und das erste Mal diesen mitreißenden Hype erlebt, dieses miteinander schreiben, das gegenseitige Anfeuern und Helfen, das Mitlesen in Romanthreads. Das hat mich geprägt, und seitdem habe ich jeden Nano im Tintenzirkel geschrieben und bis auf einen auch alle geschafft.

In den vergangenen Jahren hast du einige deiner Bücher bei Kleinverlagen veröffentlicht. Was hat dich während der Zusammenarbeit mit diesen Verlagen am meisten überrascht?

Was ich sehr angenehm finde, ist das sehr persönliche Verhältnis, das ich bei allen Kleinverlagen, in denen ich bisher veröffentlicht habe, mit den Verleger*innen hatte, die immer auch gleichzeitig meine Lektor*innen waren. Ich hatte – auch extrem angenehm und bei Großverlagen eher nicht der Fall – immer Mitspracherecht bei den Covern. Mir war allerdings anfangs nicht klar, wie lange (echt. LANGE!) es dauern kann, bis ein Buch endlich erscheint. Da ich ein extrem ungeduldiger Mensch bin, war das der Faktor, der mich bei Verlagsveröffentlichungen immer am meisten angenagt hat. Natürlich bin ich im Verlag immer nur eine von vielen, und neben meiner gibt es noch Berge weiterer Veröffentlichungen, aber das Warten auf Lektorat, Cover, Feedback, das habe ich immer als extrem zermürbend empfunden, auch wenn die Kommunikation in den Verlagen immer super gelaufen ist und sehr transparent war. Allerdings habe ich bisher ausschließlich in Kleinverlagen veröffentlicht und kann nichts dazu sagen, wie schnell Großverlage sind

Mit „Fisch im Netz“, dem ersten Band deiner Meeresträume-Trilogie, folgte dann auch dein erster Schritt ins Selfpublishing. Wie kam es zu der Entscheidung, etwas im Selfpublishing zu veröffentlichen?

So lieb ich „meine“ Kleinverlage habe – ich träumte immer davon, meine eigene Herrin zu sein und nach meinem eigenen Zeitplan arbeiten zu können, denn wie schon gesagt liegt mir das Warten überhaupt nicht. 2018 bekam ich von dem Kleinverlag, in dem es ursprünglich erschienen war, die Rechte am ersten Band der Meeresträume-Trilogie zurück, und ich beschloss, mir keinen neuen Verlag dafür zu suchen, sondern das Buch komplett zu überabeiten und neue Szenen hinzuzufügen. Mit dem Entschluss, ins Selfpublishing zu gehen, wurde ich in das Autor*innen-Kollektiv „Die Uferlosen“ aufgenommen und fand dort die Unterstützung, ohne die ich den Schritt ins Selfpublishing wahrscheinlich bitter bereut hätte: Hilfe beim EBook-Satz und professionelle Cover-Gestaltung. Mit dem Schritt ins Selfpublishing konnte ich auch endlich die schon geplanten Folgebände zu „Fisch im Netz“ schreiben, die ich im Kleinverlag nicht ohne Weiteres hätte unterbringen können.

Wie gehst du bei einer Veröffentlichung im Selfpublishing vor? Und wie unterscheidet sich das von einer Veröffentlichung im Verlag?

Im Grunde sind es immer dieselben Schritte: ich schreibe ein Projekt, setze irgendwann das Wort „Ende“ drunter und gebe es dann zum Betalesen weg. Danach folgt eine erste Überarbeitung und ein Korrektorat durch eine liebe Kollegin von den Uferlosen. Ungefähr zeitgleich spreche ich mit meiner Coverkünstlerin die Covergestaltung ab. Es folgt die abschließende Überarbeitung und der Satz, jeweils für EBook- und Druckausgabe, und sobald alles fertig ist, lade ich alles bei Kindle Direct Publishing und bei Tolino Media hoch. Meistens mache ich inzwischen erst einmal nur ein EBook und schiebe die Druckausgabe irgendwann später nach, denn ein EBook-Cover ist sehr viel schneller erstellt als ein Printbuch-Umschlag, und EBooks verlaufen sich in meinem Genre um Längen besser als Druckausgaben.

Veröffentlichungen im Selfpublishing unterscheiden sich für mich von Verlagsveröffentlichungen schon dadurch, dass alles viel, viel schneller geht. Natürlich brauchen Betaleser*innen und Korrektor*innen sowie meine Coverfee auch Zeit, aber die plane ich von vornherein ein. Ich weiß, dass meine Beta meistens um die zwei Wochen braucht, meine Korrektorin eine Woche. Und da ich das Cover in dem Moment beauftrage, in dem der Roman zum betalesen geht, habe ich meistens die korrigierte Fassung zeitgleich mit dem Cover wieder in der Hand.
Das Beste am Selfpublishing ist für mich aber die Möglichkeit, das Cover so zu gestalten oder gestalten zu lassen, wie ich es mir für mein Projekt vorstelle. Natürlich muss ich mich da auch an gewisse genre-Konventionen halten, aber innerhalb dieser Vorgaben habe ich Spielraum und kann mir Grafiken aussuchen, die mir gefallen und die zum Buch passen.

Mittlerweile kannst du eine zweistellige Zahl an Veröffentlichungen vorweisen. Nach welchen Kriterien entscheidest du, welche deiner Geschichten du im Selfpublishing veröffentlichst, welche du bei Verlagen einreichst und welche in der Schublade bleiben?

Ich sehe mich immer noch als Hybridautorin, aber meine queere Fantasy und urban fantasy bringe ich inzwischen ausschließlich im Selbstverlag heraus, weil ich damit einfach um Längen mehr verdiene als im Kleinverlag.
Meine Katzengeschichten und Fantasyromane ohne queere Liebesgeschichte biete ich aber immer noch gern Verlagen an, da es deutlich schwieriger ist, Tiergeschichten oder Jugendbücher im Selbstverlag an die Leser*innen zu bringen als Romance oder Romantasy.
Für die Schublade schreibe ich inzwischen so gut wie gar nicht mehr, weil ich tatsächlich bei jeder Romanidee über eine mögliche Veröffentlichung nachdenke.

Mit deinen Geschichten bedienst du vor allem drei Genres: Gay Romance, Fantasy und Katzenromane. Wie kam es zu dieser bunten Mischung?

Ich habe schon immer gern Fantasy gelesen und auch geschrieben, daher war für mich immer klar, dass ich, wenn ich schreie, dann Fantasy schreibe. Zur gay romance kam ich, wie glaube ich viele meiner Kolleg*innen über Slash Fanfiction. „Slash“ steht hier für den Schrägstrich zwischen den zwei Namen der Figuren, die in der Geschichte miteinander verbandelt werden (z.B. Legolas/Aragorn bei Herr der Ringe-Fanfics). Irgendwann war es mir einfach zu langweilig, mir die Figuren anderer Autor*inne auszuborgen – ich wollte meine eigenen Geschichten erzählen und meine eigenen Figuren erschaffen. Also fing ich an, Fantasy und urban fantasy mit schwulen bzw. queeren Figuren zu schreiben.
An den Katzengeschichten ist mehr oder weniger mein Mann schuld, weil er mir vor einigen Jahren den Katzenroman „Solos Reise“ von Joy Smith Aiken ans Herz legte. Ich war komplett verliebt in die Geschichte und habe sie inzwischen bestimmt schon fünfmal gelesen. Es folgte „Traumjäger und Goldpfote“ von Tad Williams und ein Ausflug ins „Warrior Cats“-Universum. Und irgendwann sprang mich die Idee für „Roms Katzen“ an, eine Romeo-und-Julia-inspirierte Geschichte um zwei Katzenclans, die sich die antiken Ruinen Roms als Reviere teilen.
Irgendwann bat ich Sylvia, meine Coverfee, mir einen Header für meine Webseite zu basteln, und als sie fragte, was darin dargestellt werden sollte, sagte ich wörtlich: „Fantasy für Erwachsene und irgendwas mit Katzen“. Damit war mein persönlicher Slogan geboren: Tina Alba – Fantasy für Erwachsene und irgendwas mit Katzen.

Einige deiner Geschichten sind auch aus der Sicht von Katzen geschrieben – so zum Beispiel dein „Winterkater“, der 2020 beim Machandel-Verlag erschienen ist. Was sind die größten Herausforderungen einer solchen tierischen Perspektive? Oder fällt dir das Schreiben aus Sicht einer Katze total leicht?

Mir hat auf jeden Fall das Lesen von Tierfantasy sehr geholfen, mich in eine tierische Perspektive zu begeben. Dazu gehören die schon genannten Katzenromane, aber auch „Watership Down“ von Richard Adams oder „Die Katze, die zur Weihnacht kam“ von Cleveland Amory.
Zudem halten mein Mann und ich seit 2008 auch durchgehend Katzen, deren Verhalten ich beobachten kann. Die größte Herausforderung war es für mich beim Schreiben von „Roms Katzen“ und „Winterkater“, die Tiere nicht zu vermenschlichen, obwohl sie untereinander in den Romanen natürlich ganz normal sprechen. Aber Katzen drücken Emotionen eben auf kätzische Weise aus und nicht wie wir Menschen. Eine freundliche Katze lächelt nicht, sie stellt die Ohren auf, knickt die Schwanzsspitze ab und spreizt neugierig die Schnurrhaare nach vorn. Eine gelassene, entspannte Katze schnurrt vielleicht. Das Beobachten unserer eigenen Katzen hat mir da ganz viel beigebracht – und ich habe Fachbücher und Fachartikel über kätzische Kommunikation gelesen.

Du bist nicht nur im Tintenzirkel aktiv, sondern auch Teil des Autorenkollektivs „Die Uferlosen“ – genau, wie auch einige andere (ehemalige) Tintenzirkel-Mitglieder. Wie habt ihr euch damals gefunden?

Tatsächlich kannte ich alle „Uferlosen“ schon, bevor das Kollektiv sich gegründet hat. Dass ich dazustoßen durfte, habe ich meinem Entschluss zu verdanken, mit meiner Meeresträume-Trilogie ins Selfpublishing zu gehen, denn Selfpublisher oder zumindest Hybridautor*in zu sein ist eine Grundvoraussetzung für „Uferlose“ – und das Schreiben von gay beziehungsweise queer romance.
Bei den Uferlosen bewirbt man sich nicht, sondern wird eingeladen – und ich habe mich riesig gefreut, als mir die liebe Tanja Rast damals die Einladung überbrachte.

Wie wichtig sind solche Autor*innennetzwerke bei der Entstehung und Veröffentlichung eines Romans? Gibt es etwas, das du ohne den Tintenzirkel bzw. Die Uferlosen nicht geschafft hättest?

Ich glaube, ohne den Tintenzirkel hätte ich niemals angefangen, „ernsthaft“, also mit dem Gedanken an eine mögliche Veröffentlichung, zu schreiben. Über den Tintenzirkel kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit Verlagen, traute mich, an Anthologie-Ausschreibungen teilzunehmen und lernte einiges über das Buch- und Verlagswesen, das mir ohne die Erfahrungen der anderen Zirkler verborgen geblieben wäre.
Das Schöne an solchen Netzwerken ist: du findest immer jemanden, der etwas kann, was du selbst nicht (so gut) kannst, und es gibt immer etwas, das ich kann und mit dem ich anderen helfen kann. Über den Tintenzirkel und bei den Uferlosen habe ich die besten Betaleser von allen gefunden und habe jemanden, der mir bei der Korrektur meiner Manuskripte hilft. Wir unterstützen uns gegenseitig mit Buchsatz und Covererstellung, bei der Pflege unserer Webseiten oder beim leidigen Thema Social Media Marketing (bäh …).

Was ist die wichtigste Lektion, die du in den vergangenen Jahren als Autorin gelernt hast?

Geduld ist eine Tugend.
Ja, im Selfpublishing geht alles schneller, aber auch hier ist zuweilen Geduld angesagt.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Katrin Winkler im Februar 2023.